Inernet Betrügereien

Ein Vergleich von Ombuds-Schlichtungsverfahren mit der Strafprozessordnung, wo seit 2011 ein abgekürztes Prozedere angewendet wird, führt Erstaunliches zutage.

 

Der Schweizer Justiz kann im Allgemeinen ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Beim Ländervergleich befindet sie sich bezüglich Verfahrenslänge mit 168 Tagen im Mittelfeld - Österreich 129 Tage, Dänemark 206 Tage, Frankreich mit 286 Tage. Die Justizkosten pro Einwohner und bezogen auf das BIP liegen in der Schweiz mit 0,22 % etwas höher als der europäische Durchschnitt - Dänemark 0,10 %, Niederland 0,15 %, Portugal 0,31 %. Die guten Noten der Schweizer Justiz gelten für die gewichtigen Verfahren, während bei den alltäglichen Streitigkeiten in der Schweiz die Bezeichnung „Rechtsstaat“ problematisch ist. Mängel zeigen sich im Jugendrecht, bei Konsumkonflikten und beim Strafrecht.

"Was soll ich sagen, ich habe hier ja sowieso nichts zu sagen" meint ein 16-Jähriger, der vom Jugendanwalt um eine Stellungnahme gebeten wurde, nachdem ihm dieser die Unterbringung in einem Heim eröffnet hatte. In gewisser Weise hat der 16-Jährige recht: Kinder und Jugendliche haben nicht die vollen Rechte von erwachsenen Personen. In der Schweiz gelten sie bis zum Alter von 18 Jahren als „unmündig“. Bis zu diesem Alter wird ihnen privatrechtlich die volle Handlungsfähigkeit abgesprochen. In Problemsituationen können Jugendliche von einer Kindesschutzbehörde oder von der Jugendstrafbehörde in ein Heim eingewiesen werden, ohne dass ihnen ein Recht auf Verteidigung zusteht.

Das Schweizer Recht sieht bis zur Mündigkeit eine Zwischenstufe vor, die sogenannte Urteilsfähigkeit. Als Faustregel gilt: Bei Kindern und Jugendlichen über 12 Jahren ist für einfache Handlungen die Urteilsfähigkeit anzunehmen. Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren gelten als urteilsfähig, wenn sie bei komplizierteren Situationen vernunftgemäss handeln können. Ab 16 Jahren gelten Jugendliche als urteilsfähig. Ist ein Kind urteilsfähig, kann es über bestimmte Fragen zu seiner Persönlichkeit, selbst entscheiden. Die Eltern können dann beispielsweise ohne dessen Zustimmung nicht eigenmächtig eine medizinische Behandlung vornehmen lassen. Im Gegensatz ist den Kindern die Teilnahme am richterlichen Entscheidungsprozess verwehrt. Minderjährige Flüchtlinge sind, aufgrund europäischer Vereinbarungen, teilweise besser gestellt.

Meldungen über ungerechtfertigte Rechnungen, nicht gewährte Rückerstattungen, hinterlistige Abzocke zum Beispiel durch Unterlassen oder verstecken von Informationen im Kleingedruckten oder in unzumutbaren allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie nicht Erbringen von zugesagten Leistungen sind alltäglich. Ist eine Person von einem derartigen Unrecht betroffen, sucht man vergebens nach der staatlichen Rechtsordnung. Das einzige, was die Schweiz zu bieten hat, ist ein beschwerliches Rechtsverfahren. Mehrheitlich übersteigen die Verfahrenskosten den Streitwert um ein Vielfaches, sodass bei Normalverdienenden der gesunde Menschenverstand davon abrät, sein Recht durchzusetzen und es beim Unrecht bleibt.

Die Bedeutung dieses Justizmangels zeigt sich an den über 610 Reklamationen, die im ersten Halbjahr 2021 auf dem wenig bekannten Portal reklamation.ch eingegangen sind. 430 dieser Reklamationen wurden unbefriedigend abgeschlossen, vor allem auch weil 299 der zur Stellungnahme gebetenen Unternehmen sich in Stillschweigen hüllten und auf die Reklamation nicht reagierten.

Geradezu zum Tummelfeld für Betrügereien hat sich das Internet entwickelt. Mit Abo-Fallen, Ärgernissen beim Online-Shopping, nicht gewährten Rücktrittsrechten, Verletzungen des Persönlichkeitsschutzes oder bei missbräuchlichen Online-Bewertungen kommt es immer wieder zu Rechtsverstössen. Das geht eindrücklich aus den 6'543 eingegangenen Beschwerden bei der österreichischen Internet-Ombudsstelle, im Jahre 1920, hervor.

Um die Schwachstelle im Schweizer Justizsystem zu mildern, wurden in einzelnen Geschäftsfeldern Ombudsstellen eingerichtet. Sie sollen, anstelle der Klärung und Durchsetzung des Rechts, die begangenen Rechtsbrüche gütlich lösen. Solange eine Ombudsperson jedoch keine für beide Seiten verbindlichen Entscheide treffen, sondern lediglich den „Kläger“ auf ein Rechtsverfahren verweisen kann, ist der Rechtsschutz in der Schweiz fragwürdig.

Ein Vergleich mit der Strafprozessordnung, wo seit 2011 ein abgekürztes Prozedere angewendet wird, führt Erstaunliches zutage. Bei diesen Fällen erstellt die Staatsanwaltschaften einen Strafbefehl lediglich aufgrund der von der Polizei eingereichten Dokumente. Erhebt der Beschuldigte keine Einsprache, weil er schnell einmal mit Tausend und mehr Franken rechnen muss, wird die Strafe rechtsgültig. 95 Prozent aller Strafbefehlsverfahren gehen auf diese Art und Weise über die Bühne, ohne dass der Staatsanwalt den Beschuldigten zu Gesicht bekommt, dieser seine Sichtweise darlegen und juristischen Beistand nutzen kann. Dies, obwohl die Entscheidung der Verwaltungsperson schnell einmal ein paar hundert Franken mehr oder weniger an Kosten, ein paar hundert Stunden und mehr oder weniger an gemeinnütziger Arbeit oder gar ein paar Monate mehr oder weniger an Freiheitsentzug zur Folge hat.

Wenn in der Schweizer Rechtsprechung Verurteilungen, mit den erwähnten, schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen, ohne wirkliches Gerichtsverfahren vorgenommen werden können, müsste bei Konsumenten-Beanstandungen ein vergleichbares Verfahren möglich sein. Genau gleich wie beim Strafverfahren kann von einer Einzelperson erwartet werden, dass diese eine Vertragslage zwischen einem Konsumenten und einem Unternehmen beurteilen und im Rahmen eines kurzen Schiedsverfahrens mit den Beteiligten eine vertretbare Lösung finden kann. Das Beschreiten des Rechtsweges würde für beide Partien offen bleiben. Gesetze, die den gesellschaftlichen Alltag regeln sollen, sind nutzlos, wenn das Staatswesen kein Instrument bereitstellt, um die Bestimmungen durchzusetzen.

Dem Rechtsstaat würde es keinen Abbruch tun, den Ombudspersonen im Sinn eines Schiedsgerichtes Entscheide zu übertragen. Im Gegenteil, eine fundamentale Justizlücke würde dadurch gestopft. Argumente ein derartiges Prozedere würde eine Menge von Verfahren auslösen, unterstreicht die Bedeutung dieser Sache. Zudem würden die Unternehmen, im Wissen möglicher Konsequenzen, den gesetzlichen Bestimmungen vermehrt Beachtung schenken, sodass die Fallzahlen sinken würden.

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