Eigentlich sollten Juristen Korrespondenzen, Gesetzestexte und Verträge für die Allgemeinheit möglichst verständlich abfassen. Doch häufig ist genau das Gegenteil der Fall. Missverständnisse sind die logische Folge, wenn Begriffe sowohl im Juristendeutsch,

als auch in der Alltagssprache gebräuchlich sind, jedoch unterschiedliche Bedeutung haben. „Arbeitsunfähig“ bedeutet für den Richter nicht, dass die Person nicht arbeiten kann. Dieser Sachverhalt wird mit „Erwerbsunfähigkeit“ bezeichnet. Die „Arbeitsunfähigkeit“ bezieht sich beim Juristen auf den bisherigen Beruf. „Billig“ ist in der Juristensprache mit angemessen vergleichbar, während in der Alltagssprache hiermit eher preiswert oder einfach gemeint ist. „Tatsächlich“ bedeutet juristisch, dass ein Umstand auf Tatsachen beruht. In der Umgangssprache wird „tatsächlich“ hingegen häufig mit wirklich oder eigentlich gleichgesetzt.

Gesetze, die keiner versteht sind, wie nachfolgende Beispiele zeigen, keine Seltenheit:
Aus dem Deutschen Sozialgesetzbuch II § 60: Wer jemandem, der Leistungen nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, Leistungen erbringt, die geeignet sind, diese Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist.
Ein Gesetzestext aus dem BGB § 873: Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstücke, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Rechte sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechtes ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teiles über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Dieses Satzkonstrukt drückt aus: Zum Erwerbe des Grundeigentums bedarf es der Eintragung in das Grundbuch.

Die Gründe, weshalb sich Rechtsgelehrte affektiert ausdrücken, ist auf die schleppenden Entwicklungen in der Rechtsprechung zurückzuführen. Sie bedient sich nicht der modernen Sprachregeln. Es gibt aber auch Anwälte, die die Sprache gezielt einsetzen um vor Gegenanwälten, Richtern und Klienten zu imponieren. Ob dies ein nützliche Mittel ist, um Rechtsuchenden behilflich zu sein, bleibe dahingestellt.

Manchmal haben langatmige Formulierungen den Zweck das Honorar aufzubessern. Mit umfangreichen Dokumenten lassen sich mühelos hohe Rechnungen begründen. Durch Schachtelsätze, Einschübe, Fremdwörter und Relativsätze, die dann wieder begreiflich gemacht werden müssen, lassen sich schnell einmal zusätzliche Seiten füllen. Ein Brief mit der Formulierung: „Wir beziehen uns auf das vorgenannte Schreiben und sprechen Ihnen unseren Dank aus. Die aufgeworfenen, noch offen, wichtigen Fragen werden wir nach der zwingend notwendigen Rücksprache mit dem ferienhalber abwesenden Mandanten bearbeiten und Sie anschließend umgehend in Kenntnis setzen" könnte einfach und klar auch lauten: „Vielen Dank für Ihren Brief. Wir beantworten Ihre Fragen, sobald wir mit Herrn Müller darüber gesprochen haben.“

Von Juristen ausgearbeitete Gesetze sind häufig schwammig abgefasst und geben keine klare Antworten. Dies führt dazu, dass bei Meinungsverschiedenheiten die geltende Regel nicht einfach im Gesetz nachgelesen werden kann, sondern zur Interpretation des Gesetzestextes ein Jurist beauftragt werden muss. Fälle in denen Juristen die Rechtslage dann völlig gegensätzlich interpretieren sind alltäglich. Das wird auch dadurch erkennbar, dass bei Gerichtsverfahren höhere Gerichte häufig zu abweichenden Urteilen kommen. Schlechte Gesetze erzeugen Staatsverdrossenheit, während gute Gesetze eine Demokratie stabilisieren. Zudem verursachen widersprüchliche Gesetze unnötige Kosten. Ein konkretes Beispiel zur Anschauung: Im Land Berlin wurden gegen Bescheide aufgrund der Hartz IV-Regelungen in zweieinhalb Jahren rund 50.000 Klagen erhoben. Um diese Klagen bewältigen zu können, musste das Land 40 zusätzliche Richterinnen und Richter einstellen.

Es ist voraussehbar, dass Start-ups in naher Zukunft, mit Hilfe der Digitaltechnik, den juristischen Individualismus abbauen und mit strukturierten und verständlichen Daten zu mehr Bürgernähe verhelfen werden.

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