Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sollen bei ihrer Geschäftstätigkeit, vor allem in Ländern mit wenig wirkungsvoller Rechtsordnung, sicherstellen, dass sie die Menschenrechte respektieren und Umweltstandards eingehalten werden. Bei Schäden an Mensch und Natur sollen Unternehmen haften.

Im Oktober 2016 reichte SWISSAID mit einer breiten Koalition die Unternehmens-Verantwortungs-Initiative (UVI) „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“ ein.

Die UVI greift unbestritten ein wichtiges Thema auf. Bei genauer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass das Eingreifen in die Rechtsordnung fremder Länder gefährlich und die angestrebten Ziele illusorisch sind. Auch ist die vor vier Jahren eingereicht Initiative teilweise durch neu geschaffene Regelungen und Umsetzungsinstrumente der UNO überholt.

Aus rechtlicher Sicht beabsichtigt die Initiative Rechtsverfahren über unabhängige Länder hinweg durchzuführen. Schweizer Gerichte müssten jeweils die rechtlichen, sozialen und Umweltverhältnisse im jeweiligen Ausland in Erfahrung bringen und fundiert beurteilen können. Es steht der Schweiz jedoch nicht zu, im Ausland auf rechtlichem Weg Menschenrechte durchzusetzen oder mit Schadenersatzklagen politische Unzulänglichkeiten zu korrigieren.

Die äusserst komplexe Thematik lässt sich mit schweizerischen Gesetzen und Rechtsverfahren nicht beherrschen. Ist beispielsweise eine Zwangsimpfung oder der Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche eine Haftpflichtsache, bei der schweizerische Gericht den Schadenersatz klären sollen? Verstösst Glyphosat, bei dem die Schädlichkeit in Relation zum Nutzen umstritten ist, ein Haftpflichtfall und wenn ja in welchem Mass ist der Importeur, in welchem Mass die internationale Vertriebsorganisation, in welchem Mass der Hersteller und in welchem Mass der Finanzier für die vermeintlichen Umweltschäden haftbar? Und wer ist berechtigt Klage zu erheben? Gleichartige Fragen stellen sich bei der Verschmutzung der Meere mit Plastikabfällen. Der gesetzliche Schutz von Mensch und Umwelt hat mit der wirtschaftlichen Globalisierung nicht Schritt gehalten und muss hinterherhinkend in globalem Rahmen erst erarbeitet werden.

Die UNO hat in den UNO-Pakten I und II eine von praktisch allen Ländern anerkannte Regelung für den Menschenschutz geschaffen. Als Umsetzungsinstrument wirkt der UN-Menschenrechtsausschuss bei welchem Beschwerden, sogar von einzelnen Bürgern, eingereicht werden können. Anfang 2020 traf dieser Ausschuss einen bemerkenswerten Entscheid gegen die neuseeländische Regierung, indem er feststellte, dass die Abschiebung eines Mannes aus menschenrechtlichen Gründen unzulässig war. Mit der Unternehmens-Verantwortungs-Initiative würde die Schweiz eine Parallelverfahren schaffen, das weltweit beispiellos wäre.

Während der UNO-Pakt den Schutz politischer, religiöser und wirtschaftlicher Misshandlung aller Menschen bezweckt, beschränkt sich die UVI auf Vergehen der Wirtschaft. Dass sie schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, beispielsweise Beschneidung von Mädchen oder politische Folterungen ausser Acht lässt, ist befremdend.

Mit den UNO-Pakts nicht abgedeckt ist der Umweltschutz. Noch fehlen die UNO-Standards und Umsetzungsinstrumente. Die UVI sieht daher vor, den Umweltschutz nach Massgabe nicht politischer Organisationen (NGO) zu beurteilt. Eine kaum sachdienliche Lösung, fehlt in deren Betrachtungen doch die soziale und wirtschaftliche Gesamtsichtweite. Auch gibt es in den unterschiedlich gelagerten Verbänden in der Regel keine übereinstimmende Meinungen und es fliessen fortlaufend neue Erkenntnisse ein.

Das die UVI nicht praktikabel ist, geht auch aus folgenden Punkten hervor:

  • Rechtlich unabhängige Unternehmen aus der Lieferkette eines Konzerns sollen in die Haftpflicht einbezogen werden. Dass eine Person für das Tun und Lassen einer anderen verantwortlich sein soll, würde ein «Unikum» bedeuten und stösst weltweit auf Unverständnis.
  • Die Erfüllung der Sorgfaltsprüfungspflicht wird als Herzstück der UVI bezeichnet. Kleinunternehmen sind weder fachlich noch finanziell in der Lage diesbezügliche Analysen durchzuführen, Massnahmen zu treffen und rechtskräftig zu dokumentieren. Auch können sie nicht ständig zur Überwachung der Anordnungen Vorort sein. Sie sind darauf angewiesen, dass sich ihre Geschäftspartner im Rahmen internationaler Standards verhalten. Aber auch Grossunternehmen können nicht lückenlos darauf bedacht sein, dass hunderte von Zulieferfirmen inklusive der lokalen Energieversorgungen, Abwasser- und der Abfallentsorgungen die Auflagen erfüllen.
  • Da die UVI, insbesondere bei Unternehmens Konglomerat, die Haftung auf die statutengemässe Hauptverwaltung und/oder auf die Hauptniederlassung wo ein erkennbarer tatsächlicher Geschäftsschwerpunkt liegt und/oder wo sich bedeutende Personal- und Sachmittel befinden hinaus ausweiten will, müssen in einer ersten juristischen Auseinandersetzung die Zuständigkeiten, respektive Verantwortlichkeiten erst einmal geklärt werden. Die Initiative zieht zu diesem Zweck das 52-seitige Lugano-Übereinkommen heran, das für die EU, für Dänemark, Norwegen und die Schweiz Gültigkeit hat. Allein diese rechtliche Auseinandersetzung dürfte Juristen und Gerichte monatelang, wenn nicht jahrelang beschäftigen.
  • Undeutlich definierte Umweltstandards würden Konkurrenzunternehmen Tür und Tor öffnen einem unliebsamen Schweizer Konkurrenten Schaden, bis hin zur Unternehmensvernichtung, zuzufügen. Schweizer Unternehmen müssten mit ungleich langen Spiessen kämpfen, wären sie doch die einzigen weltweit, die die Wunschvorstellungen von Naturschutzorganisationen erfüllen müssten.
  • Häufig dienen die Einnahmen aus dem Rohstoffabbau in den betroffenen Ländern zur Verbesserung der Lebenssituation. Es werden Infrastrukturen, Schulen und das Gesundheitswesen aufgebaut. Es ist vermessen zu glauben ein Schweizer Industrieunternehmen könne die soziologisch, ökologischen und ökonomischen Verhältnisse in einem solchen Land beeinflussen, sodass die am grünen Tisch von Menschenrecht- und Umweltorganisationen aufgestellten Forderungen erfüllt sind. Wie soll beispielsweise ein Schweizer Unternehmen gegen eine religiöse Kleiderordnungen vorgehen, wenn sich diese bei der Arbeit als gefährlich erweist?
  • „Die Eidgenossenschaft fördert mit jährlich vierzig Milliarden Franken umweltschädigende Projekte“ war im August in den Medien zu lesen. Sie verletzt damit die verpflichtende, internationale Biodiversitätsstrategien und damit die Regeln, die bei der UVI zu Schadenersatzforderungen Anlass geben können. Ist die Eidgenossenschaft, der Generalunternehmer der die Anlagen baut oder der spätere Betreiber der Anlage schadenersatzpflichtig? Der Initiativ Text gibt zu diesen Fragen keine Antwort. Damit ist erkennbar, dass die UVI keine Umweltverbesserung bringen, sondern lediglich juristische Prozesse in Gang setzten würde.
  • Waldrodungen, um Kulturland zu gewinnen, ist seit Jahren weltweit ein Stein des Anstosses. Die Weltgemeinschaft hat bisher, weil die Verantwortlichkeiten und die rechtliche Lage widersprüchlich sind, keine Abhilfe schaffen können. Das dürfte auch mit einem Schweizer Alleingang nicht zu schaffen sein.
  • Ein Alleingang der Schweiz ist auch deshalb illusorisch, weil Unternehmen durch Übernahmen schnell und problemlos in ein Land verlagert werden können, wo der Umweltschutz weniger radikal geregelt ist.


Menschenrechte und der Umweltschutz sind zentrale Themen der UNO, die in verschiedenen Gremien und globalen Konferenzen nach Lösungen ringt. Es ist töricht zu glauben, die Schweiz könne mit isolierten Massnahmen die Weltwirtschaft in Schranken weisen und spürbare Umweltschutz- und Menschenrechtsmassnahmen durchsetzen. Der Sache wäre zielsicherer gedient, wenn die global tätigen Menschen- und Umweltorganisationen die UNO veranlassen und unterstützen würden, das Instrumentarium für Umwelt- und Menschenrechte weiter auszubauen.

Nach dem Bundesrat und dem Ständerat empfiehlt auch der Nationalrat die wenig durchdachte Unternehmens-Verantwortungs-Initiative zur Ablehnung. Der Gegenvorschlag orientiert sich an international angestrebten Instrumenten und schafft dadurch die Voraussetzung, dass die Schweiz an den sozialen, umweltmässigen und wirtschaftlichen Aufgaben der Weltgemeinschaft aktiv mitwirken kann.

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